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Bis hierhin und nicht weiter?

Oder: Wie viel Internet ist okay?

Die große weite Welt des Internets ist heutzutage allgegenwärtig. So gut wie alle Jugendlichen besitzen ein Smartphone und nutzen es intensiv. Um sich zu verabreden und auszutauschen. Um zu zeigen, was sie gerade machen, oder gemeinsam gegen feindliche Armeen anzutreten. Oder um sich zu informieren, allerdings weniger auf Zeitungsseiten, sondern über Youtube-Videos. Internet und Computer gehören heute zur Jugendkultur.

Einleitung

Eltern beobachten manchmal mit Sorge, wie viel Aufmerksamkeit und Lebenszeit ihre Kinder ihrem Smartphone schenken. Manchmal scheint ihnen die Welt im Netz wichtiger zu sein als die reale Welt. Und es stellen sich ganz grundsätzliche Fragen: Wie verändert die neue Welt der Information, des Spiels und Zeitvertreibs, des Sich-Selbst-Findens, des Zusammenfindens und des Abgrenzens die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen? Was ist normal und gehört heute einfach dazu? Was ist noch gesund und was zu viel des Abtauchens in virtuelle Welten? Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) möchte mit diesem Elternratgeber »Internet« Orientierung und Hilfe anbieten. Das ist gar nicht so einfach. Zum einen, weil die Fragen je nach Alter sehr unterschiedlich beantwortet werden müssen. Für Dreijährige empfehlen wir selbstverständlich andere Regeln als für 16-Jährige. Zum anderen ist jede Familie anders. Alle Eltern haben ihre Geschichte, auch mit den eigenen Eltern, und die Kinder beginnen gerade, ihre eigene Geschichte zu schreiben, nicht immer so, wie es die Eltern gerne hätten. Deshalb muss jede Familie vor allem die Lösung finden, die zu ihr passt.


Trotzdem ist es gut, sich auszutauschen und zu informieren. Darüber, was die Forschung bisher herausgefunden hat. Darüber, was Psychotherapeut*innen empfehlen können. Darüber, wie es anderen Eltern ergangen ist. Darüber, wie die Konflikte, die beim Thema Internet so gut wie in allen Familien entstehen, gemeinsam gelöst werden können. Regeln sind wichtig, aber längst nicht immer einfach durchzusetzen. Umso wichtiger ist der Austausch zwischen Eltern und mit Menschen, die bereits Erfahrungen mit dem Thema haben und beraten können, wenn die Konflikte aus dem Ruder laufen.


Als Einstieg aber erst einmal: Was ist denn gut am Internet? Und welche Folgen kann es haben, wenn Ihr Kind Handy und Tablet häufig nutzt, aber noch weit davon entfernt ist, internetsüchtig zu sein. Deshalb zunächst als Ausgangspunkt: Es ist nicht grundsätzlich problematisch, wenn Ihr Kind täglich das Internet nutzt. Das Internet hat durchaus seine positiven Seiten.

Lernprozesse anstoßen

Das Internet kann die Entwicklung der Sinne und des Denkens von Kindern und Jugendlichen fördern. Computerspiele können zum Beispiel das räumliche Vorstellungsvermögen und das abstrakte Denken schulen. Sie ermöglichen es, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, und helfen, verschiedene Eigenschaften auszuprobieren. Viele Onlineprogramme vermitteln Wissen interaktiv. Kinder lassen sich so häufig besser motivieren, ihre Aufmerksamkeit kann dadurch viel höher als bei einem einfachen Buch sein. Wissen lässt sich so leichter vermitteln. Für ältere Kinder gehört das Internet zu einer selbstverständlichen Quelle, um sich Informationen zu beschaffen. Wie bei allen Medien müssen sie lernen, seriöse Quellen von zweifelhaften zu unterscheiden. 

Sozialen Austausch fördern

Das Internet ist vor allem eine unkomplizierte Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, auch mit anderen, die man sonst nie treffen würde, weil sie einfach ganz woanders leben. So einfach wie nie zuvor lassen sich andere kennenlernen und Erfahrungen austauschen, ohne zu wissen, wer der andere ist, aus welcher Familie er kommt oder auf welche Schule er geht. Der ganze soziale Ballast spielt zunächst einmal keine Rolle. Für viele Kontakte spielt nicht einmal eine Rolle, wie der andere aussieht, auch wenn es spezielle Plattformen gibt, auf denen das zur wichtigsten Botschaft überhaupt wird. Sieben von zehn Jugendlichen berichten in einer Studie beispielsweise davon, dass ihnen der Austausch über soziale Netzwerke in schweren Zeiten geholfen habe. Jugendliche sind für Jugendliche nicht selten wichtiger als die Eltern. Im Internet können sie häufig Gleichaltrige finden, um sich auszutauschen, zum Beispiel über Auseinandersetzungen mit Eltern, Streit mit Freund*innen oder auch sehr persönliche und intime Fragen. 

Psychische Gesundheit

Immer wieder ist zu lesen, dass stundenlanges Chatten und Liken, Cruisen und Daddeln im Internet die psychische Gesundheit gefährden. Dies ist aber wissenschaftlich nicht eindeutig belegt. Es stimmt zwar, dass Jugendliche, die viele Stunden in sozialen Medien unterwegs sind oder tagelang Computer spielen, auch häufiger depressiv und ängstlich sind und ein geringeres Selbstwertgefühl haben. Das kann aber auch daran liegen, dass sich gerade depressive und ängstliche Kinder und Jugendliche häufiger ins Internet zurückziehen. Was was verursacht, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Denkbar ist auch, dass beide Faktoren, also übermäßige Internetnutzung und psychische Beschwerden, durch einen dritten Faktor erklärbar sind, zum Beispiel durch starke Familienkonflikte. 


Unstrittig ist aber, dass übermäßige Nutzung sozialer Medien oder von Computerspielen bei einigen Jugendlichen die psychische Gesundheit gefährdet. Ein wichtiges Kriterium ist dabei, dass das Internet so viel Zeit beansprucht, dass sie andere Interessen und Aktivitäten in der realen Welt vernachlässigen oder gänzlich aufgeben. Es geht dabei immer um die Frage, ob es nur noch das Internet gibt. Auch Jugendliche, die in Vereinen Fußball oder Basketball und in ihrer Stadt- oder Kreisliga spielen, stecken sehr viel Zeit in das Training während der Woche und für die Spiele an Samstagen und Sonntagen. Etwas sehr gerne zu machen und sehr viel Zeit in eine Sache zu stecken, heißt nicht unweigerlich, dass dies die psychische Gesundheit gefährdet. Auch Erwachsene, die für einen Marathon trainieren, stecken enorm viel Zeit in Training und Wettbewerbe. Auch bei ihnen kommt es darauf an, ob sie noch in der Lage sind, phasenweise auch andere Prioritäten zu setzen. Schließlich können Computerspiele auch helfen, wieder psychisch gesund zu werden. In den USA wurde vor Kurzem sogar ein Spiel zur Behandlung von Kindern zugelassen, die an ADHS erkrankt sind. Eltern sollten sich Sorgen machen, wenn Kinder jedoch so viel Zeit im Netz verbringen, dass sie Schule, Freund*innen und Hobbys vernachlässigen und selbst dann weiter chatten und online spielen, wenn sie die Schule nicht mehr schaffen. 


Im Übrigen sind sich Jugendliche durchaus bewusst, dass das Internet viel Zeit und Energie verschlingt. Fast die Hälfte der Jugendlichen, die in einer Studie befragt wurden, stimmen der Aussage zu, dass man weniger Zeit online verbringen sollte und fast zwei Drittel der Befragten stimmten der Aussage zu, dass sie im Netz oft ihre Zeit verschwenden. 

Übergewicht

Kinder und Jugendliche, die sehr häufig das Internet nutzen, haben überdurchschnittlich oft Übergewicht. Auch dabei ist letztlich nicht geklärt, ob das stundenlange Vor-dem-Computer-Sitzen zu Übergewicht führt oder ob übergewichtige Kinder und Jugendliche mehr Zeit im Netz verbringen. Es gibt aber wissenschaftliche Hinweise darauf, dass zu lange Mediennutzung zu Übergewicht führt. Dabei kommen zwei Faktoren zusammen: der Bewegungsmangel, aber auch der erhöhte Konsum zuckerhaltiger Getränke und von Süßigkeiten, insbesondere während des Fernsehens. Kinder brauchen Bewegung. Der Schulsport reicht allein nicht aus. Eltern sollten bei ihren Kindern früh das Interesse an einer Sportart wecken. Welche ist egal. Hauptsache, Ihr Kind hat regelmäßig Sporttermine.

Bewegung

Bewegung ist aber nicht nur gut für die körperliche Entwicklung, sondern auch für Kopf und Seele. Wer sich regelmäßig bewegt, fühlt sich psychisch wohler und ist geistig fitter. Zu viel Sitzen und zu wenig Bewegung erhöhen dagegen das Risiko für Übergewicht und Haltungsschäden. Fördern Sie deshalb das Interesse des Kindes an einer Sportart und fangen Sie früh damit an. Machen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind Sport. Finden Sie heraus, welcher Sport Ihrem Kind Spaß macht. Melden Sie Ihr Kind in einem Verein an, wenn es Interesse an einer Sportart zeigt. Wichtig ist, dass Bewegung für die Kinder so selbstverständlich wird, wie Essen, Trinken und Schlafen. Bewegung sollte etwas sein, bei dem sie sich wohlfühlen und das sie gerne und oft machen. Kinder, die nicht gelernt haben, ihren Körper auszuprobieren und zu trainieren, wenden sich später leicht ab, wenn Sport auch zum Wettkampf wird und sie meinen, nicht mitkommen zu können. 

Schlaf

Je länger Kinder und Jugendliche Medien nutzen, desto weniger Schlaf bekommen sie. Nach einer Befragung der Krankenkasse DAK schläft ein Viertel der Kinder und Jugendlichen zu wenig, weil sie soziale Medien nutzen. Unklar ist jedoch, ob sie zu wenig Schlaf bekommen, weil sie immer noch im Netz unterwegs sind, wenn sie schon schlafen sollten. Oder sind die Jugendlichen durch zu späte Spiele oder Videos so stark aktiviert, dass sie nicht zur Ruhe kommen und schlecht (ein-)schlafen? Eine Erklärung, die aber noch nicht ausreichend untersucht ist, ist die Annahme, dass das helle Licht der Bildschirme das Einschlafen verzögert. Das blaue Licht der Monitore unterdrückt danach, dass der Körper ausreichend Melatonin herstellt. Dieses Hormon ist aber so etwas wie ein körpereigenes Mittel zum Runterschalten und Wegdämmern. Egal, welche Erklärung stimmt: Vor dem Zubettgehen brauchen Kinder Ruhe und Zuwendung und kein digitales Aufputschmittel. Eine Stunde vor dem Schlafengehen sollten Internet und Fernsehen tabu sein.