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Internetsucht – Krankheit und Hilfen

Manche Jugendliche verbringen zumindest phasenweise sehr viel Zeit im Internet. Eltern machen sich dann häufig Sorgen, dass ihr Kind internetabhängig ist. Stundenlanges Computerspielen oder exzessive Social-Media-Nutzung müssen nicht gleich eine psychische Krankheit sein. Sie sind häufig bloß eine leidenschaftliche Beschäftigung. Das Internet kann allerdings auch abhängig machen wie Alkohol oder Medikamente. 

Schule und Freund*innen werden unwichtig

Schätzungsweise leiden sechs Prozent aller 12- bis 17-Jährigen unter einer Computerspiel- oder Internetabhängigkeit. Das Risiko einer Internetsucht besteht dann, wenn Kinder das Netz so intensiv und lange nutzen, dass sie die Kontrolle über die Dauer der Internetnutzung verlieren; Schule, Freund*innen und Hobbys vernachlässigen und schlecht gelaunt sind, wenn sie nicht spielen können. Sie können nicht aufhören, ins Internet zu gehen, selbst wenn sie die Schule nicht mehr schaffen oder Freund*innen verlieren. Aber auch die Nutzung von sozialen Netzwerken birgt ein vergleichbares Suchtpotenzial. Mädchen und Frauen nutzen intensiver den Austausch mit anderen im Netz. Sie sind ständig per Handy mit anderen in Kontakt, überprüfen immerzu, ob neue Nachrichten da sind, oder die Anzahl der Likes ihres Profils. Anders als die Jungen und Männer fallen sie damit aber nicht so auf. Ein Blick aufs Handy ist kurz und schnell vorbei. Trotzdem kann der Blick aufs Handy genauso unkontrollierbar werden wie das Starten eines Computerspiels. Mädchen sind sogar etwas häufiger internetsüchtig als Jungen.

Was tun, wenn ich befürchte, dass mein Kind zu viel im Netz ist?

Die erste Empfehlung lautet: Hinschauen und den Konflikt nicht scheuen. Manche Eltern schauen weg aus Angst, mit ihrem Kind in Konflikt zu geraten, oder weil sie nicht wissen, wie sie solch ein Gespräch führen sollen. 


Kinder, die keine Einsicht zeigen – das gehört zur Pubertät. Pubertät ist die Zeit im Leben der Eltern, in der sie nicht immer geliebt werden. In keiner anderen Lebensphase brauchen Eltern mehr Geduld und Ausdauer. Jugendliche sind unterwegs in inneren Landschaften und nicht selten auch in der Familiengeschichte. Auf der großen Suche nach sich selbst und dem Sinn des Lebens. Sie fragen sich: »Wofür mache ich das hier eigentlich alles? Schule, Ausbildung, Erwachsenwerden. Möchte ich in dieser Welt überhaupt leben? Überall Kapitalismus und Klimakollaps.« Ihre Kinder müssen diese Fragen klären und Sie müssen aushalten, dass sie dabei nicht immer ansprechbar sind. 


Pubertät ist die Zeit im Leben der Eltern, in der sie nicht immer geliebt werden. In keiner anderen Lebensphase brauchen Eltern mehr Geduld und Ausdauer.


Trotzdem sollten Eltern weiter das Gespräch suchen, auch bei zu viel zockenden Jungs und ständig chattenden Mädchen. Es ist aber häufig nicht einfach, dafür den richtigen Moment zu finden, was praktisch darauf hinausläuft, überhaupt einen Moment zu finden. Es ist aber ganz sicher nicht der Moment, in dem Sie mit dem Gespräch ein Computerspiel unterbrechen oder verlangen, den Blick vom Handy abzuwenden. Aber mehr Kinder, als man denkt, wissen selbst, dass etwas schiefläuft. Gespräche mit Eltern gelingen, wenn Kinder den Eindruck haben, dass sie verstanden werden und gemeinsam nach Auswegen gesucht wird. 


Manchmal dauert es auch einige Wochen, in denen Sie immer mal wieder Ihre Sorge über die Internetnutzung Ihres Kindes äußern, bis Ihr Kind schließlich bereit ist, mit Ihnen über das Internet zu reden. Gelingt dies, können Sie überlegen, wie es zu der Schieflage gekommen ist und wie die vielen Stunden im Netz wieder eingeschränkt werden können. Sie können wieder mehr Aktivitäten mit Freund*innen vorschlagen oder auch mehr gemeinsame Zeit verbringen. 


Falls das stundenlange Zocken und Chatten weitergeht, können Ihr Kind und Sie sich Hilfe in einer Beratungsstelle oder bei einer Psychotherapeut*in suchen. In der Sprechstunde kann eine Psychotherapeut*in herausfinden, ob eine Internetsucht besteht und welche die richtige Hilfe ist. 

Wann ist eine Psychotherapie ratsam?

Schwierige Phasen sind auf dem Weg ins Erwachsenenalter normal. Manchmal können Krisen und Konflikte Kinder und Jugendliche aber auch überfordern. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen können dann Ansprechpartner*innen sein. 


Jede gesetzlich Krankenversicherte* kann sich direkt an eine Psychotherapeut*in in eigener Praxis wenden. Eltern brauchen für ihre Kinder keine Überweisung durch eine Kinderärzt*in oder eine Kinderpsychiater*in. Jugendliche können sich auch ohne Wissen der Eltern an eine Psychotherapeut*in wenden. In der Regel können gesetzlich versicherte Jugendliche ab 15 Jahren die Psychotherapie selbstständig bei der Krankenkasse beantragen. Bei Privatversicherten müssen die Eltern die Kostenübernahme bei der Versicherung veranlassen.


Die ersten Gesprächstermine, die sogenannte psychotherapeutische Sprechstunde, dient dem Kennenlernen des Kindes und der Eltern und der Abklärung, ob eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt. Die Psychotherapeut*in verschafft sich einen Eindruck von den psychischen Beschwerden des Kindes. Auch die Eltern schildern ihre Sorgen.


Eltern sollten sich Sorgen machen, wenn Kinder so viel Zeit im Netz verbringen, dass sie Schule, Freund*innen und Hobbys vernachlässigen und selbst dann weiter chatten und online spielen, wenn sie die Schule nicht mehr schaffen.


Eltern können sich in einem ersten Gespräch auch beraten lassen, wie ihr Kind zur Teilnahme an einer Psychotherapie motiviert werden kann. Kinder fragen selten von sich aus nach einer Psychotherapie. Fast immer sind es die Eltern, die sich um das psychische Befinden der Kinder Sorgen machen. Sie treffen meist auch die Entscheidung, eine Psychotherapeut*in anzurufen und einen ersten Termin zu vereinbaren.

Nach diesen ersten Gesprächen kann die Psychotherapeut*in beurteilen, ob Ihr Kind eine Psychotherapie benötigt oder ob eine andere Hilfe notwendig ist. Wenn Sie sich dann gemeinsam mit Ihrem Kind für eine Psychotherapie entscheiden, hilft Ihnen die Psychotherapeut*in dabei, die Psychotherapie bei Ihrer Krankenkasse zu beantragen.


Nach der Kostenbewilligung durch die Krankenkasse kann es losgehen. Im Laufe der Therapie wird die Psychotherapeut*in Gespräche allein mit Ihrem Kind, aber auch mit Ihnen oder gemeinsam mit der gesamten Familie führen.